Leopold Fischer

Schulhelfer. Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime. Hingerichtet.

* 1916    † 1943

 

Lebenslauf

Leopold Fischer wurde am 22.8.1916 in Wien geboren. Er arbeitete als Schulhelfer und im Reichsluftschutzbund.

Verfassung illegaler Flugblätter

Leopold Fischer verfasste mehrere illegale Flugblätter. Er betätigte sich für den kommunistischen Jugendverband.

Widerstand, Verhaftung, Todesurteil

Am 13. 5. 1942 wurde Leopold Fischer verhaftet und am 13. 4. 1943 zum Tode verurteilt. Am 27.8.1943 wurde er im Landesgericht I in Wien hingerichtet.

Aus dem Urteil

„Der Angeklagte hat als Amtsträger des Reichsluftschutzbundes eine Gruppe des illegalen KJVÖ innerhalb des Reichsluftschutzbundes gebildet und ist zunächst als Bezirksfunktionär und Schulungsleiter tätig gewesen, hat sich später, auch als Wehrmachtsangehöriger, bis lange nach Ausbruch des Krieges mit der Sowjetunion an der Herstellung und Verbreitung kommunistischer Flugschriften, insbesondere solcher, die für die Verbreitung innerhalb der Deutschen Wehrmacht bestimmt gewesen sind, maßgeblich beteiligt. (…) Im Übrigen bemühte sich der Angeklagte vor allem um die Schulung der Mitglieder des KJV. So hielt er in der Zeit vom Januar bis zum April 1942 vor einer von dem Bootsbaulehrling Lachnit geführten Gruppe, der außerdem vier weitere junge Kommunisten angehörten, mindestens fünf Vorträge über wirtschaftliche Fragen, zu denen er im kommunistischen Sinne Stellung nahm.“

Aus dem Tagebuch von Egon Arthur Schmidt über den Prozess gegen Leopold Fischer

"Der Angeklagte wird auf einer Bahre vorgeführt, er hatte tags zuvor einen Selbstmordversuch unternommen, die Pulsadern mit Rasiermesser aufgeschnitten, viel Blutverlust, aber nicht tot. - "Sind Sie der Angeklagte Leopold Fischer?", der Angeklagte gibt keine Antwort. "Sagen sie ihm, dass er mit solchen Mätzchen bei uns nicht weiterkommt, dadurch werden wir nicht weich."

(Die Verhandlung wurde abgebrochen und am 13.4.1943 wieder angesetzt)

Aus dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes

Sterbeurkunde

Hunger

Von Leopold Fischer, im Wehrmachtsgefängnis 1942

HUNGER IST’s NICHT WENN HEUTE,
EINE EINZIGE MAHLZEIT FEHLT.
HUNGER, MERKT EUCH’s LEUTE,-
IST’s WENN ES WOCHENLANG QUÄLT.

WIRST WACH MIT LEEREM MAGEN,
UND GEHST WEG VOM TISCHE DU,-
KANNST DU WIE ABENDS SAGEN:
„MICH HUNGERT NOCH IMMERZU.“

VOR HUNGER ISST MAN PAPIER.
IHR SOLLT DARÜBER NICHT LACHEN.
HUNGER MACHT EINFACH ZUM TIER.-
LÄSST SCHLAFEN NICHT, NICHT WACHEN.

DU DENKST UND WILLST NUR MEHR „ESSEN.“
WAS SCHERT DICH DEIN KERKER NOCH.
DU SPÜRST ES WIE VÖLLIG BESESSEN:
„DEIN MAGEN IST EIN LOCH.“

Ein Brief

Von Leopold Fischer, undatiert

"Heut schreib ich nachhause, zum ersten Mal,
an meine Freunde und Lieben.
Noch jetzt spür´ich es leer und schal,
es liegt mir nicht, zu lügen.

Seid ruhig es geht mir wirklich gut,
ich bin auch sonst zufrieden.
Behaltet wie ich euren Mut,
es ist wohl so beschieden.

Wozu sollt ich auch davon sprechen,
dass es nicht schön hier ist.
Mutter würde das Herz zerbrechen,
wenn sie um mein Elend wüsst´.

Und schließlich ist es jetzt wirklich besser,
reicht auch das Essen nur knapp.
Bloß an der Kehle sitzt mir das Messer,
doch ich mach trotzdem nicht schlapp.

So etwas muss man alleine ertragen,
auch wenn man es nicht übersteht.
Nur einen Anwalt will ich befragen,
-ob's Mutter nun besser geht?

Im Frühjahr quälte sie noch ihr Leiden,
nun ist der Herbst bald da.
Als ich hierher kam blühten die Weiden,
was wohl inzwischen geschah?"

Bekenntnis

Von Leopold Fischer, undatiert

"Nur Menschliches wollt ich den Menschen geben,
Als Künstler freudiger Stunden wollt ich leben.
Allein mich traf des Kerkers Bann -
Und eine Nacht umfing mich uferlos.
Von ihr umschlossen fühlt ich's, riesengroß
Ist's was der Mensch mit seinem Wollen kann.

Wenn ich wohl nur ein winzig Schicksal bin,
Liegt selbst im Winzigsten ein Ganzes drin.
Mag ich dem Zeitenurteil auch erliegen,
Ich lebte mir und meiner Seele wahr.
Und tat ich recht, dann wird es einstens offenbar,
Wird über alles Schlechte strahlend siegen."

DI Gerhard Fischer über seinen Onkel Leopold Fischer

"Mein Onkel Leopold Fischer war schon vor dem Anschluss Österreichs ein Gegner des Nationalsozialismus. Seine Schlüsselerlebnisse waren die Terroraktivitäten der illegalen Nationalsozialisten, denen rund 800 Österreicher zum Opfer fielen…“

Video-Stills aus dem Film

Gedenkort - Landesgericht für Strafsachen Wien

Im ehemaligen Hinrichtungsraum des Landesgericht für Strafsachen Wien findet sich sein Name auf einer der Gedenktafeln.

Gedenkort - Gruppe 40, Zentralfriedhof

In der Gruppe 40 wurden die im Wiener Landesgericht Hingerichteten beerdigt. 2013 wurde die Gruppe 40 zur Nationalen Gedenkstätte erklärt.

Quellen und Bildnachweise

  • Porträtbild und Grabbild von DI Gerhard Fischer

Hauptwerke zur Gruppe 40

Weiterführende Informationen

  • DÖW Katalog zur permanenten Ausstellung. Hg. v. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Wien 2006
  • Wolfgang Neugebauer, Der österreichische Widerstand 1938-1945, Wien 2008
  • Die Geschichte des Grauen Hauses und die österreichische Gerichtsbarkeit, Wien 2012
  • DÖW (Hg.) Widerstand und Verfolgungen in den österreichischen Bundesländern (Wien, Burgenland, Oberösterreich, Tirol, Niederösterreich, Salzburg), Wien 1975-1991
  • Heinz Arnberger, Claudia Kuretsidis-Haider (Hg.) Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Widerstand und Verfolgung, Exil, Befreiung, Wien 2011
  • Brigitte Bailer, Wolfgang Maderthaner, Kurt Scholz (Hg.), „Die Vollstreckung verlief ohne Besonderheiten“, Wien
  • Herbert Steiner, Gestorben für Österreich. Widerstand gegen Hitler. Eine Dokumentation, Wien 1995
  • Herber Steiner, Zum Tode verurteilt: Österreicher gegen Hitler. Eine Dokumentation, Wien 1964

Web-Hinweise


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